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Die fünf Säulen der Achtsamkeit

Die Anwendung achtsamkeitsbasierter Interventionen in Coaching, Beratung und Therapie setzt sich immer stärker durch. Diese Interventionen sollen eine nicht-wertende Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks fördern, Einsicht in die subjektive Konstruktion der persönlichen Realität ermöglichen und über das Loslassen dieser subjektiven Konstruktion zu einer Bewusstseinserweiterung führen.

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Unter Achtsamkeit verstehe ich einen Bewusstseinszustand, der auf folgenden fünf Säulen basiert:

  1. die Aufmerksamkeit ist auf den gegenwärtigen Augenblick gerichtet
  2. alle Gedanken und Gefühle werden so akzeptiert, wie sie im Augenblick da sind
  3. die Subjektivität der Gedanken und Gefühle wird erkannt
  4. die Gedanken und Gefühle werden "losgelassen"
  5. das Bewusstsein öffnet sich für neue Sichtweisen

 

In Coachingprozessen wird immer wieder deutlich, wie hartnäckig wir an Konstruktionen unserer persönlichen Realität festhalten, selbst wenn wir unter diesen leiden. Ob es Karriereziele, Erwartungen an das Verhalten anderer Menschen oder bestimmte Vorstellungen davon, was für unser Glück geschehen müsste sind, das Festhalten daran kann sich zur regelrechten Pein entwickeln.

So litt z.B. ein Klient an der Überzeugung, nur dann wirklich mit sich selbst zufrieden sein zu können, wenn er eine Professur erreichen würde. Er bewarb sich über viele Jahre an unterschiedlichen Universitäten, jedoch ohne den ersehnten Erfolg. In dieser Zeit setzte er sich einem enormen Erfolgsdruck aus und mutete seiner Familie zu, immer auf dem Absprung zu leben, da die Universitäten auf ganz Deutschland verteilt waren. Die beruflichen Möglichkeiten, die im Rahmen seiner Anstellung in einem wissenschaftlichen Institut gegeben waren, konnte er nicht wertschätzen. Wie besessen bewarb er sich jedes Mal, wenn eine Professur in seinem Fachbereich ausgeschrieben wurde. Dabei achtete er keineswegs auf die großen Unterschiede des jeweiligen Lehrstuhls und die sehr unterschiedlich verlockenden Städte, in die er mit seiner Familie hätte umziehen müssen.

Nicht das Hinarbeiten auf sein Ziel, sondern die Fixierung darauf war sein Problem. Über die Fixierung bleibt man in der Vorstellung, wie die Dinge sein sollten, gefangen. Man fühlt sich defizitär und das Leben streicht an einem vorbei. Und bei diesem Klienten kam immer stärker der Eindruck hinzu, einen sehr großen zeitlichen und emotionalen Aufwand für das erfolglose Bemühen um eine Professur betrieben zu haben. Diese Tatsache begann ihn zusätzlich zu quälen.

Durch die Anwendung achtsamkeitsbasierter Interventionen gelang es dem Klienten nach und nach seine Fixierung loszulassen. Dabei wurde der Blick immer wieder auf seine automatische Reaktion gelenkt, die in ihm ablief, wenn eine neue Professur ausgeschrieben wurde. Diese automatische Reaktion wurde in Wahrnehmungsübungen quasi in Zeitlupe mehrmals durchgespielt. Der Klient sollte sich in den Übungen möglichst unvoreingenommen selbst beobachten und alle Gedanken und Gefühle so akzeptieren, wie sie aufkamen. Ihm wurde deutlich, wie er reflexartig mit großer Begierde und gleichzeitig mit Angst vor einem erneuten Scheitern reagierte. Dies verursachte enormen Stress, der dazu beitrug, dass er die Vor- und Nachteile der spezifischen Ausschreibung nicht mehr abwog. Er konnte erkennen, wie sehr er sich eine Welt konstruierte hatte, in der nur ein Lehrstuhlinhaber wirklich ein erfolgreicher Wissenschaftler war und wie er seine gegenwärtige Tätigkeit abwertete, obwohl diese in mancher Hinsicht wissenschaftlich anspruchsvoller war, als es ein Lehrstuhl gewesen wäre. Und ihm wurde klar, dass er ein inneres Skript verfolgte, welches ihm sagte: "Nur wer einen sehr hohen gesellschaftlichen Status erreicht hat, kann wirklich Stolz auf sich sein."

Die Bewusstseinshaltung der inneren Achtsamkeit ermöglichte dem Klienten:

  • das Beobachten seiner automatischen Reaktion,
  • eine nicht-wertende Selbstwahrnehmung,
  • den Zugang zu seiner subjektiven Wirklichkeitskonstruktion,
  • den Zugang zu seinen unbewussten Überzeugungen (inneres Skript),
  • und die Auflösung seiner Fixierung.